Stephan Lessenich:  Neben uns die Sintflut

Eine soziologische Betrachtung der Entwicklung in der Welt
erschienen bei HANSER

Ein spannendes Buch, obwohl von soziologischer Feder geschrieben: LESSENICH lehrt an der LMU in München im Bereich Soziologie und öffnet mit beschreibenden, nicht anklagenden Mitteln die Augen für den „anderen Blick“ auf das Wirtschaftsgeschehen unserer Welt.

Er schafft einen neuen Begriff der „Externialisierung“ für die verlegten Produktionsstätten der Industrie vom wohlhabenden Norden der Welt in die südliche Halbkugel.

Der Beginn ist das Katastrophen-Szenario des Erzabbaus in Brasilien, wo dann ein Damm eines riesigen Klärschlammsees bricht und einen gesamten Flusslauf bis hin zum Südatlantik vergiftet. Hunderttausende von Menschen haben von jetzt auf gleich kein Trinkwasser mehr. Aktuell im Fernsehen gezeigte Berichte von der Medikamenten-Produktion in Indien drängen sich auf, weil dort ebenfalls ungeklärte Abwässer der Produktion einen ganzen Fluss verunreinigen und die Menschen sogar erkranken.

In der Hoffnung auf Arbeit strömen egal wo auf der südlichen Halbkugel Menschen aus ihren angestammten Wohngebieten und weg von ihren Familien in die Gegenden, wo Industrie aller Art und aus allen westlichen Ländern der sogenannten „Industrienationen“ angesiedelt werden. Sie träumen von Arbeit und Geld und von der Teilhabe am Wohlstand. Sie werden aber nicht alle benötigt, es gibt nie ausreichend Arbeitsplätze. So entstehen vor Ort Slums und neue Armut, weil die Menschen nicht in die Heimatregionen zurückkehren wollen oder auch nicht können.

LESSENICH zeigt den schrecklichen, aber immer wiederkehrenden Mechanismus in der wirtschaftlichen Produktion auf, wo die Produktionsorte skrupellos dorthin verlegt werden, wo die Arbeitskosten am geringsten sind. Dem Leser bleibt manchmal der Atem weg, weil er mit seinem Konsumverhalten im wohlhabenden Speckgürtel der Nordhalbkugel die Armut auf der Südhalbkugel zementiert.

Ganz deutliche Worte findet LESSENICH für das korrupte Verhalten der sogenannten „Eliten“, sei es in den Schwellenländern, sei es in den Entwicklungsländern und zeigt auf, wie die geleistete Entwicklungshilfe eigentlich nur ein Alibipflästerchen für das eigene Gewissen wird, weil vier Fünftel der sogenannten „Hilfe“ bereits in den genannten Ländergruppen versickert. Anders ist das Scheitern der Jahrzehnte langen Finanzleistungen gar nicht zu erklären.

Warum man bei der Lektüre begeistert sein kann? Weil KLAR und DEUTLICH zum Ausdruck gebracht wird, welches die echten Schwachpunkte der Entwicklungshilfe sind, wie sich trotz der finanziellen Transaktionen der soziale Druck in den Gesellschaften der Staaten von der „viel versprechenden“ Externalisierung ins Negative verstärkt. Grund ist eigentlich nur das Geld sparende Produktionsverhalten der Firmen in den Industrieländern.

GÖNNEN SIE SICH DIESE TOLLE LESEERFAHRUNG!  

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